Kerzers
Kerzers lag zur Zeit der Römer an der wichtigen Strasse von Aventicum (Avenches) nach Salodurum (Solothurn). Die historischen Bezeugungen in Cartris Villa (926), Kercers (1153), Chiertri (1228), Kertzerz (1276) und Chiertres (1285) franz. Chiètres, lassen einen lateinischen Namen ad Carcerem oder ad Carcares rekonstruieren, was unter anderem «bei der Umzäunung», «beim Kerker» bedeutet. (Wikipedia und historisches Lexikon ) Liste der Kulturgüter
Bisherige Deutungen:
Kerzers wird traditionnell zu lateinisch (ad) carcerem oder carceres «beim Gefängnis» gestellt. Diese Deutung findet sich schon bei Marchot (1901: 78), Jaccard (1906: 90) etc.; der Zusammenhang wird auch schon von den mittelalterlichen Schreibern hergestellt (cf. die Formen von 1123, 1183). Für das französische Exonym Chiètres erwägt Aebischer (1976: 97) indessen ein lateinisches Etymon castris, da die regelmässige lautliche Entwicklung von carcere(s) nicht zu Chiètres führen kann. Glatthard (1977a: 57s) stellt ausführliche phonetische Überlegungen zum sehr frühen Zeitpunkt der Namenentlehnung ins Deutsche und zum Zusammenhang zwischen der deutschen und der romanischen Form an, die auf dieselbe lateinische Grundlage (carceres) zurückgeführt werden. Seine Argumentation zur Lautentwicklung wird von Besse (1997: 171s) leicht korrigiert, aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt, obwohl verschiedene Fragen noch offen sind.
Besprechung:
Lateinisch carcĕre wird lautgesetzlich über [ˈkarkʲere] > [ˈkartʲere] im Altfranzösischen zu chartre: (1) lateinisches [k] vor [a] wird zu [tʃ] (später [ʃ]), (2) betontes lateinisches [a] nach [k] bleibt in gedeckter Stellung erhalten, (3) die Synkope des nachtonigen [e] fand statt, bevor [tʲ] zu [ts] werden konnte; das [t] bleibt somit erhalten. Wie die Form Chiètres zeigt, ist im Konsonantismus dieselbe Lautentwicklung auch für das Frankoprovenzalische anzunehmen, wobei die Entwicklung von [k] vor [a] zu [tʃ] in unserer Region relativ spät erfolgte (→ Gempenach FR, Gampelen BE). Betontes lateinisches [a] nach [k] bleibt in gedeckter Stellung grundsätzlich auch im Frankoprovenzalischen erhalten, wobei vor [r] in den östlichen Freiburger Dialekten eine Entwicklung zu [e] oder [ɛ] stattfindet (TP, §147). In Chiètres liegt jedoch die Lautentwicklung zu [jɛ] vor, die für betontes [a] nach [k] in freier Stellung charakteristisch ist. Es muss deshalb für die romanische Form ein sehr früher Schwund des ersten -r- durch Dissimilierung (chartres > *chatres > *chiètres) postuliert werden, der in den alten Belegen nicht nachgewiesen werden kann. (Für eine ähnliche, bisher ungeklärte romanische Lautentwicklung, cf. auch → Bienne/Biel BE, Thielle NE und Viège/Visp VS). Wie Glatthard feststellt, ist der Name zweifellos auf der Stufe [ˈkartʲere] ins Alemannische übernommen worden. Das anlautende [χ] der Dialektform weist auf eine Entlehnung vor Beginn der zweiten deutschen Lautverschiebung hin, die laut Glatthard für [k] > [χ] im 7. bis anfangs 8. Jahrhundert stattgefunden hat. (In der jüngeren germanistischen Forschung wird diese Entwicklung etwas später angesetzt.) Für eine frühe Übernahme ins Deutsche spricht auch das -z- [ts] in der deutschen Form Kerzers, das nicht auf eine romanische Entwicklung zurückgehen kann, da es in Chiètres fehlt. Wie der Name der Zihl (cf. → Thielle NE) muss Kerzers somit aussergewöhnlich früh ins Deutsche entlehnt worden sein und an der deutschen Lautverschiebung [t] > [ts] teilgenommen haben. Der Umlaut des lateinischen [a] zu [e] in [ˈkartʲere] > Kerzers könnte in diesem Fall durch das [ʲ] der ursprünglichen romanischen Form ausgelöst worden sein. Wie in anderen zweisprachigen Ortsnamenpaaren bewahrt die deutsche Form ein Schluss-s, welches in der in der französischen Aussprache geschwunden ist. Auf Aebischers Deutungsvorschlag (< castris) muss nicht eingegangen werden, da er kein einziges Problem löst: in castris befindet sich das -a- in gedeckter Stellung und würde nicht zu -ie-; zudem wären in den mittelalterlichen Belegen Spuren des vorkonsonantischen -s- zu erwarten.
Deutung:
Das Namenpaar Kerzers/Chiètres geht auf lateinisches (ad) carcerem/ad carceres «beim Gefängnis, bei der Umzäunung» zurück. Die beiden Formen beruhen auf einer getrennten lautlichen Entwicklung im Alemannischen und im Romanischen seit dem 7. Jahrhundert. Die Kerzen im Gemeindewappen beruhen auf einer volksetymologischen Umdeutung des nicht mehr verständlichen Namens
1986
Kategorie
Anzahl an veröffentlichten Bildern in der Kategorie: | 70 |
Anzahl an nicht veröffentlichten Bildern in der Kategorie: | 0 |
Kategorie ansehen: | 25 x |